https://www.jamesanderson.com.au/blog/The-Learning-Landscape-brings-learning-to-life

Ich bin zwar mit meiner Leseliste noch lange nicht durch, aber je mehr ich mich mit Entwicklungen in englischsprachigen Ländern auseinandersetze umso mehr bekomme ich das Gefühl, wir haben etwas verschlafen. Und damit meine ich nicht nur die Digitalisierung.

Auch da haben „deutsche Schulen“ noch Luft nach oben, ich gebe es zu. Und manchmal habe ich das Gefühl, „das wird nichts mehr“. Andererseits frage ich mich auch, WAS müssen Lehrer alles können, um Schüler auf die Welt vor den Schultüren vorzubereiten?

Und wenn ich, auch durch meine eigene Zeit, die ich als Lehrende vor Klassen verbracht habe, schaue, was ich in den Fachfortbildungen gelernt habe, so ging es immer darum: „Wie bekomme ich den Stoff am besten ans Kind?“

Wie vermittle ich Wissen, damit es bei meinen Schüler*innen ankommt, damit diese es in der (Abitur) Prüfung so wiedergeben können, damit sie eine möglichst gute Note bekommen.
Und auf den Weg zu dieser Prüfung hin ging es darum, wie ich möglichst viele der Themen, die sich so im Laufe eines Schuljahres anbieten, so unterrichten kann, dass ich nachher dazu eine Klassenarbeit oder eine Klausur schreiben kann, in der ich schlussendlich DAS abfrage, was ICH meinen Schüler*innen erklärt habe.

Drei Bücher habe ich ausgewählt und in der falschen Reihenfolge gelesen… Andererseits: Was ist schon falsch? Ich habe mit der „Zusammenfassung“ bzw. mit dem Resultat begonnen: James Andersons „Learnership1„. In diesem Buch bezieht er sich immer wieder auf die „Learning Landscape(s)2“ und den „Agile Learner3„, die beide ebenfalls von ihm stammen.
Dabei geht es vor allem um eines: um das „Mindset“. Und es geht um die Schülerinnen und Schüler.
Das Buch „Learnership“ richtet sich dabei vor allem an Schulleitungen. Anderson nimmt diese mit auf eine Reise durch ihre jeweils eigene Schule mit verschiedenen Aufgaben und hat dabei immer den Schüler im Blick. Und je weiter ich in der Lektüre komme, umso mehr muss ich Anderson recht geben. Unser System fokussiert darauf, Lehrer immer noch besser zu machen, in dem was sie können: Stoff so „vorkauen“, dass Schüler*innen ihn leicht behalten und sauber wiedergeben können.

Doch ist es das, was wir schlussendlich wollen? Schülerinnen und Schüler, die uns nach dem Mund reden? Haben wir in all der Lehrerausbildung nicht eines vergessen, nämlich den Blick auf die Kinder?

Etwas, was du als Eltern relativ schnell lernst: Kinder sind per definitionem neugierig, sie WOLLEN lernen. Und das zieht sich durch. Vielleicht, höre ich einige denken, MÜSSEN sie das auch? Sonst würden sie nie laufen lernen, und sitzen und sprechen und im Matsch spielen und und und und…

Wann aber hört das auf?
Oder sollte ich fragen: Wann vergessen wir Erwachsenen das?
Was passiert, wenn wir nach all der Zeit der Lehrer*innenfortbildung (und nein, das ist kein Lehrer*innenbashing, und ja, ich wünsche mir für meine Kinder auch Lehrer*innen, die den Stoff, den sie unterrichten beherrschen, aber das eine schließt das andere nicht aus),
was passiert also, wenn wir den Fokus verstärkt auf die Schüler legen? Wenn wir ihnen bewusst machen, dass man Dinge „lernen“ kann, dass man nicht als Meister vom Himmel fällt und dass es Spaß macht, sich in den Bereichen, die einen wirklich interessieren, immer tiefer reinzufuchsen und vielleicht mal richtig gut darin zu werden? Aber nicht, weil es einem in die Wiege gelegt ist, oder man sich „einfach leicht tut“, sondern weil man dafür gearbeitet hat.

Anderson erzählt in seinem „learning Landscape“ dazu eine Geschichte von Picasso, die in etwa so geht:

Picasso saß auf einer Parkbank, als eine junge Frau vorbeikam, ihn erkannte und ihn bat, ihr doch ein Bild zu malen. Picasso nahm seinen Skizzenblock und einen Stift zur Hand und fertigten in wenigen Strichen das Porträt der jungen Frau an. Diese strahlte, als sie das Bild in Händen hielt. Bevor sie sich umdrehte, um wieder zu gehen, sagte Picasso zu ihr: „Das macht dann bitte eine Million Dollar.“ „Eine Million? Aber Sie haben dafür doch bloß zwei Minuten gebraucht?““ Eigentlich“, antwortete Picasso, „habe ich dafür mein ganzes Leben gebraucht.“

Diese Geschichte zeigt, dass „Wunderkindern“ nicht als „Wunderkinder“ auf die Welt gekommen sind, sondern dass sie dafür lernen.
Und mit diesem Wissen im Kopf können sich Türen öffnen. Türen für alle und alles.
Ich kann nicht malen wie Picasso, weil ich eben nicht mein ganzes Leben lang geübt und meinen Stil verbessert und evtl. sogar noch einen eigenen entwickelt habe.

Wenn wir es schaffen, die Neugier der Schüler aufrecht zu erhalten oder zu wecken, wenn wir es schaffen, dass Lernen zum Erfolgserlebnis wird und die Herausforderungen als Herausforderungen und nicht als Schikane empfunden wird, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Und daran hätten nicht nur die Schüler*innen ihre Freude

  1. Learnership: Raising the status of learning from an act to an art in your school; James Anderson, 2023. ↩︎
  2. The Learning Landscape: How to increase learners agency and become a lifelong learner; James Anderson, 2023. ↩︎
  3. The Agile Learner: Where Growth Mindset, Habits of Mind and Practice Unite; James Anderson, 2023 ↩︎

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